27.04.2009

TRASHismus


Exhibition at "Skulpturenmuseum Glaskasten Marl".
AaronSt., Alexander Dahmen, Clemens Behr, Herr Orm, Karl 110, Robert Matzke, Moritz Menacher, David Radon, Sabrina Karakatsanis, K. Kleckerklotz, Derdream, Dominik Wieschermann, Gabor Dole und Van Laak




Text by Marion Gay, WAZ 5.5.09
MARL - Der Countdown läuft. Nur noch 30 Sekunden Spielzeit für Level 4. Der gelbe Affe aus dem Ü-Ei verharrt auf dem Regalbrett, "danger!" steht neben ihm geschrieben, oben rechts, unerreichbar, baumelt der "Superkey", unten wartet ein bärtiger Zwerg. Der Künstler, der sich Herr Orm nennt, stellte die Szene
aus einem Computerspiel in einer Holzkiste nach. Aber ist das nun Kunst oder ist es Trash (übersetzt: Abfall)?
Im letzten Jahrhundert bezogen sich nicht nur die Künstler der Pop-Art auf Erzeugnisse der Trivialkultur, auch Künstler wie Kurt Schwitters und Eduardo Paolozzi nutzten Werbung und Comics als Material für Skizzen und Collagen. Die Grenzen zwischen Hochkunst und Trivialkunst waren längst verschwommen, als Mitte der 80er Jahre US-amerikanische Filme (z.B. "Style Wars") Graffiti in Deutschland
populär machten und auch hierzulande viele Jugendliche begannen, Bilder auf öffentliche Flächen zu sprühen. Die Stadt Marl reagierte 1991 darauf, indem sie Graffiti-Wettbewerbe ausschrieb und den Preisträgern die Betonwände rund um das Marler Rathaus zur Verfügung stellte. Das Projekt wurde so gut angenommen, dass seitdem schätzungsweise achthundert Bilder entstanden.

Viele der damaligen jugendlichen Teilnehmer haben inzwischen eine künstlerische Ausbildung absolviert und das Spektrum ihrer Arbeiten auf Gemälde, Fotografie, Installation, Skulptur und Film ausgeweitet, wenn auch die Graffiti-Einflüsse noch sichtbar sind.
Die Ausstellung "Trashismus" im Marler Skulpturenmuseum Glaskasten präsentiert nun Arbeiten von 13 jungen Künstlern, die aus jener Graffiti-Szene stammen. Typisch ist die Verwendung von Trash-Materialien. So besteht die Installation "Disorder" (2009) von Clemens Behr aus Pappkartons, die von den Wänden aus kubisch in den Raum hinein wachsen, während Alexander Dahmen seine provisorisch wirkenden Bretterbuden aus farbigen Holzbrettern zusammensetzt. "Karl 110" verwendet Schilder, die er in Industriebrachen findet, und montiert daraus großformatige Collagen wie die Arbeit "The unique collection" (2008/9). Die zahlreichen Pseudonyme der Künstler fallen auf: Namen wie "Herr Orm", "derdream" oder "K. Kleckerklotz" machen Sinn in der Graffiti-Szene, die sich oftmals an der Grenze zum Illegalen bewegt. K. Kleckerklotz hatte das Glück, dass er seine riesigen Räuber Hotzenplotz-Figuren an die Wände von Abrisshäusern sprühen durfte. Fotografien dokumentieren die bezaubernden Arbeiten, dieja nun leider nicht mehr existieren.

Interessant sind auch die Collagen von Herrn Orm. Aus zerschnittenen Schuhen entstehen hasenähnlicheGestalten, das Objekt "Security car" besteht aus einem bemalten Turnschuh mit Rädern darunter. Ein Schild verrät: "Stopp! In diesem Auto liegen keine wertvollen Gegenstände." Auch Robert Matzke arbeitet mit Materialien, die andere wegwerfen, so mit grauem Industriefilz, den er für Bilder und seine grotesken Figuren benutzt. Traurig sitzt die menschengroße Vogelfigur, der "Taubenvater", auf dem Podest. Schlapp hängen die Filzarme herab, der Körper steckt in einer unförmigen dunklen Hose plus schmuddeligem Feinrippunterhemd.
Witzig und zugleich tragisch ist auch der Videofilm "Nichts zu danken" von Moritz Menacher. Animierte Bleistiftzeichnungen, gemischt mit gefilmten Szenen, erzählen vom trostlosen Alltag eines Mannes, der sich am Ende als Bankräuber mit sehr ungewöhnlicher Waffe entpuppt.

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